TANGER

Marokko, November 2022

"Tanger, wir kommen!"


Ganz im Norden Afrikas, in Marokkos Hafen Tanger Med grummelte und brummte es im Bauch unserer Fähre. Wir legten endlich an der Kaimauer an. Startklar saßen wir in unserem Expeditionsmobil „Snorre“, im dunklen Bauch der Fähre mit unzähligen Transport-LKW’s und anderen Reisenden darauf wartend, dass sich endlich die Heckklappen unserer Fähre öffneten.

Bei all dem hektischen Treiben zur Vorbereitung zum entladen, schrillte plötzlich eine laute Sirene los. Nun war es soweit, die linke Heckklappe begann sich langsam zu öffnen. Und alles geschah direkt vor unseren Augen.

Im spanischen Hafen Algeciras sind wir mit unserem Expeditionsmobil als letztes auf die Fähre gefahren und hatten nun oder somit das Glück, die Ersten zu sein, die die Fähre verlassen durften.

Je weiter sich die Klappe öffnete, umso heller wurde es im riesigen Laderaum unsere Fähre.
Unserer Herzen pochten immer schneller und es kam ein völlig unbekanntes Gefühl in uns hoch. So also mussten sich einst die bekannten Entdecker, wie Marco Polo, Christoph Columbus, James Cook oder David Livingstone kurz vor ihren Entdeckungen gefühlt haben.

Die Ladeluken öffneten sich immer weiter, die Sonne schien heller denn je und nach nur eineinhalb Stunden Überfahrt, lag Afrika endlich vor uns.
Hektisch winkend und mit einem lauten Pfiff, machte uns ein Fährmitarbeiter darauf aufmerksam, die Fähre zu verlassen. Also starteten wir Snorre und fuhren langsam, dem Fährmitarbeiter folgend, von der Fähre.
Schon wieder ein lauter Pfiff.
Diesmal von einem Hafenmitarbeiter. Er zeigte ebenfalls hektisch winkend in Richtung EXIT und rief: go go go …

Die Transport-LKW’s hinter uns fingen an zu hupen und drängelten lautstark mit ihrem Gaspedal. Jetzt wurde auch uns klar, hier musste alles sehr schnell gehen.
Zweimal rechts abgebogen und dann eine scharfe Linkskurve und schon lag der Zollbereich vor uns.

Nach kurzer Befragung, wo wir denn herkommen, wo wir hinwollen und wie lange wir denn bleiben wollen, wurden wir weiter zu einem riesigen Fahrzeugscanner geschickt sowie andere Mitreisende mit ihren Fahrzeugen auch.
Nachdem wir mit unserem Snorre in den riesigen Fahrzeugscanner eingewiesen wurden, bat man uns auszusteigen. Wir sollten nun mit den anderen Reisenden, die ebenfalls ihre Fahrzeuge verlassen mussten an der Seite warten.

Vollautomatisch und mit einem lauten „Bidubidubidu“ setzte sich der riesige Scanner in Bewegung und unser Snorre wurde zum ersten Mal gescannt, quasi durchleuchtet.
Irgendwie lag eine gewisse Anspannung in der Luft. Alle Mitreisenden wühlten in ihren Taschen oder Jacken und holten ihre Pässe, Papiere oder sonstige Unterlagen hervor.

Wir schauten uns an. Ohne ein Wort zu sagen, fingen auch wir an in unseren Taschen nach den Pässen zu kramen. Sicher ist sicher.
Der Zollbeamte vom Scanner rief uns zu, dass wir fertig seien, schnell einsteigen und wieder zurück zur Grenzkontrolle fahren sollten, was wir auch taten.
Am Grenzposten angekommen, warteten wir nun darauf, wie es für uns weitergeht.
Nach gefühlt sehr vielen langen Minuten kam ein Grenzpolizist auf uns zu. Ging zur Fahrerseite unseres LKW’s und bat Dennis höfflich um die Fahrzeugpapiere und natürlich unsere Pässe. Der Grenzpolizist schaute sich die Dokumente an und winkte einen Kollegen heran. Er gab ihm einen Pass von uns, dann kam er an die Beifahrerseite und fing an mir Fragen zu stellen.

In der Zwischenzeit wurde Dennis gebeten auszusteigen und auch er musste ebenfalls Fragen beantworten.
Während Dennis außerhalb von Snorre Fragen beantwortete und ich bei geöffneter Scheibe, Rede und Antwort stand, ging die Fahrertür auf und ein weiterer Grenzpolizist mit Hund stieg in die Fahrerkabine.
Eifrig schnüffelte der Hund alles ab, was ihm gezeigt wurde und schon waren sie wieder, ohne ein Wort zu sagen, verschwunden.
Kurze Zeit später ging meine Tür auf und ich wurde gebeten auszusteigen. Es folgte der gleiche Ablauf, der Hund suchte alles ab und schon waren sie wieder weg, der Grenzpolizist und sein Hund.

Als nächstes wurden wir sehr bestimmt gebeten unsere Wohnkabine zu öffnen. Sie hatten offensichtlich im Scanner etwas entdeckt. Der erste Grenzpolizist, mit Rang und Namen, stieg mit Dennis in unsere Wohnkabine.
Wieder sehr bestimmt, wurde Dennis gebeten die Reiseapotheke zu zeigen. Reiseapotheke war mein Stichwort. Schnell holte ich unsere internationalen Medikamentenbescheinigungen und gab sie dem Grenzpolizisten. Er studierte diese sehr genau staunte über die Menge die wir mit uns führten.
Deswegen war unsere Reiseapotheke interessant. Die Menge. Und wir hatten einiges an Medikamenten auf Vorrat dabei, schließlich sind wir ja auf Weltreise.
Aber offensichtlich war alles ok und das Interesse an unserer Reiseapotheke wurde durch das Interesse an unserer Küchenschublade ersetzt.

Wer Vorratsdosen von Emsa kennt, weiß, dass diese ein großes Fassungsvolumen haben. Da wir einige Dosen für Reis, Salz, Haferflocken und Mehl in unserer Schublade aufbewahren, wurden diese alle nacheinander geöffnet und diesmal vom Polizisten selbst beschnüffelt... Irgendwie fühlten wir uns plötzlich wie Kriminelle.

Hier merkten wir zum ersten Mal den Unterschied. Wir befanden uns nicht mehr auf europäischem Boden. Als Europäer sind wir es gewohnt, ohne Kontrolle die Grenzen einfach zu passieren. Schließlich sind wir ja in Europa. Aber irgendwie fanden wir diese unsere Kontrolle richtig, richtig für uns und das Land, in welches wir einreisen wollten. Es gab einem irgendwie Sicherheit. Und es kam die Frage auf, warum es bei uns in Europa nicht mehr so ist.

Unsere Gedanken kreisten weiter… Was machen wir, wenn sie unsere Vorräte einpacken und mitnehmen wollen? Müssen wir all unsere Vorräte vernichten? Viele Fragen tauchten auf und wir zweifelten an unserer eigenen Reisevorbereitung. Wir waren eigentlich der Meinung, dass wir uns ausreichend informiert hatten, bezüglich zum Import von Gütern nach Afrika.

Und das hatten wir auch…

Nach insgesamt eineinhalb Stunden an der Grenzkontrolle, bekamen wir die Pässe wieder und durften einreisen. In der Zwischenzeit war es schon spät geworden und es wurde bald dunkel. Also sind wir kurz entschlossen über Nacht im Hafen stehen geblieben.

Am nächsten Morgen wurden wir durch ein lautes Gespräch geweckt. Offensichtlich diskutierten zwei Marokkaner lautstark bei geöffneter Kofferraumklappe, über die sich im Kofferraum befindliche Ware. Zur lautstarken Diskussion gesellten sich nach und nach weitere Marokkaner dazu und erweckten nun das Interesse der Grenzpolizei, die nicht unweit von uns entfernt am Grenzposten, den wir am gestrigen Abend passiert hatten, standen.

Wir beschlossen uns schnell abfahrbereit zu machen.

Während wir alles ordneten und vorbereiteten, bekamen wir nicht mit, dass sich um uns herum, auf dem großen noch gesicherten Parkplatz im Wartebereich vor der Grenze, nach und nach unzählige Geländejeeps aus Spanien einfanden.
Innerhalb kurzer Zeit hatten sich viele junge, gutgelaunte, spanische Touristen um unseren Snorre versammelt. Als wir unsere Tür von der Wohnkabine öffneten, begrüßten uns diese freundlich und fingen an ganz viele Fragen über unser Expeditionsmobil und unsere Reise zustellen.
Es war ein nettes Gespräch am ersten Morgen auf afrikanischem Boden, in Marokkos nördlichstem größten Hafen „Tanger Med“.

Am Ende stellte sich heraus, dass all die vielen Geländewagen eine große Gruppe ergaben und diese von einer mehrtägigen Tour durch Marokko und die Wüste Sahara, sich wieder auf dem Heimweg befanden.

So läuft es nun mal an einer Grenze, die Einen kommen und die Anderen gehen.

Wir waren gerade erst angekommen. Wollten den afrikanischen Kontinent erkunden und unser erstes Ziel in Marokko war die Stadt Tanger. Noch zu Hause hatten wir unglaublich viel über Tanger gelesen und unsere Wunschziele in Google Maps markiert.

TANGER, wir kommen!
…ab jetzt galt es, eine Stadt, von afrikanischer, spanischer, arabischer Kultur und einer Vielzahl von Einflüssen geprägt, zu entdecken …
Wieder verspürten wir dieses Gefühl eines echten Entdeckers, fuhren einfach drauf los und ließen uns mit dem Stadtverkehr einfach treiben. Auf der Küstenstraße am Meer entlang tauchten wir immer tiefer in Tanger ein. Wir befuhren die Promenadenstraße, die mit wunderschön verzierten Straßenlaternen bestückt war, einmal quer durch die Stadt. Unsere Fensterscheiben waren geöffnet und er Fahrtwind glitt durch unsere Haare. Eine Briese, gefüllt mit Salzluft, fremden orientalischen Gewürzen und sonderbar süßen Düften, strömte durch unsere Nasen. Irgendwie hatten wir das Gefühl, nicht zu fahren, sondern zu fliegen. Die Stadt fing an uns zu verzaubern.

Wir standen an einer roten Ampel und konnten den lautstarken, von sehr viel Gestik und Mimik begleiteten Gesprächen, zwischen Marokkanern lauschen. Ein Mix aus französisch und arabisch wurde zu einer völlig unverständlichen Sprache, jedenfalls für mich.
Dennis lachte und sagte: je parle francais un petit peu

Es war alles fremd und neu für uns. Unheimlich und schön zugleich. Wir hatten gelesen, dass es hier unzählige Märkte gab, die wir am liebsten gleich besuchen wollten. Doch daraus wurde nichts. Aus unserer Parkplatzsuche, die sich als sehr schwierig gestaltete, wurde ein unmöglich. Unser Gefährte Snorre war einfach zu groß, die vorhandenen Parkplätze völlig überfüllt oder zu klein und während unsere Suche, verließen wir jedes Mal aufs Neue den Stadtkern.

Nach einer fast zweistündigen Parkplatzsuche, wieder Stadtauswärts fahrend, gaben wir auf.
Das Meer lächelte uns wieder an, der Verkehr beruhigte sich und hier an der Küste zu sein, wo das Mittelmeer und der Atlantik zusammenfließen, war plötzlich ein sehr erhebender Moment für uns.
Diesen Moment wollten wir bei einer Tasse Kaffee am Strand, mit Blick ins Landesinnere gerichtet, nicht wissend was es alles zu endeckend gab, festhalten und genießen. Also änderten wir unseren Plan, fuhren weiter und suchten jetzt nach einem Strand, der auch gleichzeitig unsere zweite Übernachtungsmöglichkeit werden sollte.

Als wir der Küstenstraße folgten, fiel uns ein kleines nettes Lokal auf. Dennis und ich mussten nichts sagen. Wir hatten beide mittlerweile einen riesigen Hunger und da kam das Lokal genau richtig. Aber auch hier, war wieder der Parkplatz vor dem Lokal voll. Doch gegenüber auf der anderen Straßenseite, zum Meer hin, war eine riesige Fläche frei. Also nix wie hin.

Nachdem wir geparkt hatten und ausgestiegen waren, fielen uns vier Dromedare auf. Unsere ersten Dromedare in Freiheit überhaupt. Und das allerbeste, man durfte sie anfassen. Doch irgendwie wurde aus unserer völligen Faszination plötzlich Mitleid und uns war eigentlich nicht mehr danach, die Tiere zu streicheln. Doch der freundliche ältere Mann mit seinem Enkel, drängte uns zu einem Foto.

Wir hatten unsere Fotos in der Tasche, der ältere Mann mit seinem Enkel war um 5 Dirham, umgerechnet 0,50 Cent reicher, doch die armen Tiere standen genau gleich da.
Auf den ersten Blick fiel es uns nicht auf, aber beim zweiten Blick. Es ist wie überall, die Tiere müssen am Ende leiden. Sie stehen den ganzen Tag in der Sonne, müssen sich ständig anfassen lassen, egal ob sie wollen oder nicht. Kleine Kinder ziehen an ihrem Fell, Hunde bellen sie an und weit und breit keine Spur von einem Eimer Wasser.

Wir fühlten uns irgendwie schlecht, weil wir ebenfalls zu denen gehören, die für ein offenbar tolles Foto für die daheim Gebliebenen, nicht auf die Umstände in denen sich die Tiere befinden, geachtet haben. Wir redeten uns ein, beim nächsten Mal darauf zu achten und gingen einfach weg.

Im Nachhinein hätten wir eine Flasche Wasser holen und diese den Dromedaren geben sollen. Doch es war leider erst im Nachhinein. Es war komisch, aber zum ersten Mal befassten wir uns wirklich mit unserer Umwelt und unser Blick fing an sich zu ändern.
Wir betraten das Lokal mit dem wohlklingenden Namen „Restaurant Arbustes“. Es liegt zwischen dem Park „CHJIRAAT parque“ und dem Strand „Plage Sol“.

Es duftete herrlich. Das Wasser lief uns im Mund zusammen und eigentlich konnte das Essen schon auf dem Tisch stehen. Doch es kamen Fragen bei uns auf.

Im Gastgarten standen unzählige kleine Tische. Wir setzten uns erst einmal hin und fingen an das Treiben im Restaurant zu beobachten. Die anderen Gäste hatten bereits ihr Essen und es sah alles verdammt gut aus. Aber wie rankommen.

Keiner von uns konnte arabisch und Dennis fühlte sich mit seinen Französischkenntnissen nicht ganz sicher. Wir beschlossen einen jungen Marokkaner, der gegenüber von uns an einem Tisch saß und telefonierte, auf Englisch anzusprechen.
Er beendete sein Gespräch schaute zu uns rüber und Dennis nutze die Gelegenheit. Er unterhielt sich eine Weile mit ihm. Sie lachten und der junge Marokkaner bat uns einfach mitzukommen. Wir gingen direkt zum kleinen Restaurant-Häuschen.

Hier blubberte, brutzelte und schmorte es um die Wette. Unzählige braune Tonschalen mit einer netten Aluhaube blubberten im offenen Feuer vor sich hin. Fleischspieße lagen auf dem Grill und wurden mit einer einzigen Handbewegung gewendet. Salatteller wanderten an uns vorbei zu den bereits wartenden Gästen, um anschließend verspeist zu werden. Toll dekorierte Platten wurden durch den Gastgarten zu den Tischen getragen und ein seltsames Getränk tauchte plötzlich auf.

Wir versuchten uns zu konzentrieren und hörten dem jungen Marokkaner zu. Er gab sich unglaublich viel Mühe, uns genau zu erklären, was in den einzelnen Gerichten drin ist. Am Ende entschieden wir uns für eine sogenannte Tajine.

Die Tajine, Tagine oder auch Taschiin ist in der nordafrikanischen Küche DAS Gericht. Es handelt sich dabei um ein rundes, aus Lehm gebranntes Schmorgefäß mit gewölbtem, konischen Deckel oder wie unserem Fall mit Aluhaube und das darin gekochte Gericht ist das Nationalgericht der Berber.

Der junge Marokkaner erklärte uns, dass darin immer, egal in welcher Region man sich befindet, dass regionale, saisonale Gemüse mit Fleisch, wie Schaf, Ziege, oder Hühnchen und Fisch, welcher gerade gefangen wurde, mindestens drei Stunden lang geschmort wird.

Wir entschieden uns für die Varianten mit Fisch und Huhn. Jetzt ging alles ganz schnell. Ein Kellner eilte herbei, brachte Brot und deckte den Tisch ein, ein weiterer Kellner brachte uns das seltsame Getränk. Bei dem Getränk handelte es sich um das Nationalgetränk

„Le Whisky marocain“.

Kein Grund zur Beunruhigung, nein wir fingen nicht an am späten Nachmittag Alkohol zu trinken. Es ist Tee. Grüner Tee mit einem frischen Pfefferminzzweig und unglaublich viel Zucker.

Lecker!

Kaum hatten wir den Tee probiert kamen auch schon unsere Tajinen. Sie sahen nicht nur köstlich aus, sondern waren auch unglaublich köstlich. Wenn ihr also mal in Marokko Urlaub machen solltet, dann ist dieses Gericht und der Tee ein absolutes MUSS!

Wir bedankten uns bei dem jungen Marokkaner für die tolle Erklärung und Empfehlung aus der marokkanischen Küche. Er lächelte über uns und fand es irgendwie komisch, dass wir seine Küche zum ersten Mal probierten. Freute sich gleichzeitig unglaublich, dass es uns so gut geschmeckt hat. Und schon waren wir seine New Friends.

Völlig gesättigt und überwältigt von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft des jungen Marokkaners verabschiedeten wir uns.
Nicht weit weg von Snorre stand mittlerweile eine marokkanische Polizeistreife auf Patrouille. Da fielen uns plötzlich die Worte vom netten Grenzpolizisten, dem mit Rang und Namen, von der Grenze ein. In Marokko darf man frei campen, aber am besten nicht in den großen Städten und ganz besonders, nicht in Tanger übernachten.

Wir gingen rüber zu den Polizisten. Diese beäugten uns etwas argwöhnisch. Dennis erzählte den beiden Polizisten, dass wir auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit am Strand sind und fragte, ob wir hier stehen belieben durften. Diese erklärten uns, dass es an diesem Strandabschnitt nicht sicher wäre und meinten, wir sollen der Küstenstraße 1 Km weiter folgen und dann käme ein sicherer schöner Strand. Wir bedankten uns höfflich, stiegen in Snorre ein und waren schon auf dem Weg zum schönen Strand.

Zwischen den Strandabschnitten Amira Beach und Plage Sidi Kacem fanden wir unser Strandstück.
Es war ein sehr großer, schöner, ebener und weitläufiger Parkplatz direkt am Strand. Wir verließen die Küstenstraße und bogen auf den Parkplatz ab. Ein Mann mit einer gelben Warnweste, die aussah wie unsere Warnwesten fürs Auto, erhob sich von seinem Stuhl und kam auf uns zu. Er fragte uns im gebrochenem Englisch ob wir nur kurz parken wollten oder über Nacht stehen bleiben. Wir antworteten ihm „über Nacht“. Daraufhin wollte der Mann 50 Dirham umgerechnet 5 Euro, von uns. Wir zahlten und parkten.

Als wir ausgestiegen waren, sahen wir nur noch wie der Mann mit der Weste, hastig mit seinem zusammengeklappten Stuhl in der einen und den zusammengefalteten Sonnenschirm in der anderen Hand zu seinem Auto lief. Er verstaute alles, stieg ein und fuhr weg.

ECHT JETZT?

Tage später, in einer netten Unterhaltung auf einem wirklich schönen Campingplatz, erfuhren wir, dass es sich bei dem Mann mit der gelben Weste um einen Betrüger gehandelt hatte. Natürlich war das Gelächter über uns groß. Diese Betrugsmasche trifft die unwissenden Touristen. Die gelben Westen sehen im ersten Moment hochoffiziell aus und vermitteln den Eindruck, dass es sich um einen echten Parkplatzwächter handelt. Uns war dann auch schnell klar, dass wir am schönen Strand in Tanger abgezockt wurden.

Später auf unserer weiteren Rundreise durch Marokko, trafen wir auf unzählige Parkplatzwächter dieser Art. Aber diesmal waren wir schlauer und zahlten nicht und auf ein beharrliches Einfordern der Parkgebühr drohten wir mit der Polizei, wie uns auf dem Campingplatz in einem netten Gespräch erklärt wurde.

Am schönen Strand wollten wir nun unseren Kaffee kochen, um endlich den schönen Moment genießen zu können. Aber vorher nur noch einmal schnell auf das Meer schauen.
Da standen wir, am schönen Strand, das Meer lag vor uns, Kinder spielten etwas weiter weg von uns fangen. Eine Familie saß auf einer ausgebreiteten Decke am Boden, unterhielten sich, lachten, aßen Obst und…

Ein getunter silberner Golf versperrte uns plötzlich die Sicht. Wir wandten uns wieder dem Meer zu und schauten auf die Wellen. Noch circa eine Stunde und dann würden wir sicher einen wunderschönen Sonnenuntergang beobachten können.
Plötzlich begrüßte uns ein alter Marokkaner auf Englisch und sagte, dass ihm unser Expeditionsmobil gefallen würde. Er sah nett aus und wir kamen ins Gespräch. Nach einer Weile gesellten sich zwei weitere Marokkaner dazu. Irgendwie wurde es komisch. Der alte Mann fing an uns zu erzählen, dass er ca. 60 km von hier Land besäße und sich darauf eine große Hanfplantage befinden würde.

Wie bitte? Sagte der alte Mann wirklich Hanfplantage?

Dennis und ich schauten uns kurz an und uns war sofort klar worauf das hinauslaufen sollte. Der alte Mann sprach weiter auf uns ein und lud uns ein, Ihn und seine Familie auf der Plantage zu besuchen. Wir könnten mit Ihm und seiner Familie gemütlich Essen und danach würde uns seine Plantage zeigen.

Ja nee ist klar!

Wir sollten seinem Enkel der neben ihm Stand, weil er kein Handy hätte, einfach nur unsere Handynummer geben und dann könnten wir uns verabreden, wenn wir in der Nähe wären.
Er hat kein Handy?
Was zum Henker hält er denn dann bitte in seiner Hand?
Definitiv ein Handy.
Falscher Film? Ganz schlechter Film?
Was zum Teufel war hier los?

Während ich meinen ersten Krimi im Kopf drehte, behielt Dennis die Ruhe und erklärte dem alten Mann, dass wir nicht rauchen. Dieser meinte darauf hin: Hey this is realy good stuff for smoking.
Dennis ging einen Schritt auf den alten Mann zu und wiederholte noch einmal eindringlich, dass wir nicht rauchen und auch kein good stuff benötigen.
Dann ging er wieder einen Schritt zurück, nahm meine Hand und hielt sie fest. Der alte Mann und die beiden jungen Männer drehten sich ein Stück von uns ab und unterhielten sich aufgeregt.
Wir drehten uns ebenfalls etwas weg und da fiel uns auf, dass in der Zwischenzeit auf der anderen Seite von Snorre ein roter Audi SUV geparkt hatte. Die getönten Scheiben etwas heruntergelassen, beobachteten uns nun auch noch zwei weitere Marokkaner.

Dennis flüsterte mir zu: Steig ein, jetzt!

Ich glaube ich saß noch nie so schnell in einem LKW wie zu diesem Zeitpunkt. Dennis verabschiedete sich höflich und wünschte allen einen schönen Abend und stieg dabei ebenfalls ein.
Der alte Mann und die jungen Männer erzählten noch irgendetwas, doch Dennis ignorierte alles, startete den Motor, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr langsam los. In der Mitte vom schönen großen Parkplatz, legte Dennis ganz ruhig den ersten Gang ein, wendete Snorre und fuhr über den Parkplatz zur Küstenstraße. Langsam bog er auf sie ab und fuhr los.
Nichts wie weg hier sagte ich, weit weg. Dennis fragte: Was war das denn bitte eben? Vor lauter Aufregung und noch voller Adrenalin quasselten wir wild durcheinander drauf los. Wir wollten nur noch weg.

Es fing an schon dunkel zu werden und ohne uns noch einmal umzudrehen, fuhren wir einfach weiter. Weg vom Strand, weg von der Küstenstraße, weg von Tanger. Wir wollten nur rauf auf die Autobahn, um weiter ins Landesinnere zu fahren. Wir beschlossen die nächste große Autobahnraststätte anzusteuern, um dort die Nacht zu verbringen. Wir waren geschockt, geschockt von der Situation, erschrocken über den Schlag Mensch und irgendwie fingen wir an, negativ über Marokko zu denken.

Wie sollte das weitergehen? Müssen oder sollen wir uns darauf einstellen, dass wir an jeder Ecke abgezockt werden könnten oder uns „Good Stuff“ angeboten wird, vielleicht sogar noch in unserem Ersatzreifen am Heckträger Drogen geschmuggelt werden? Unsere Köpfe rauchten und die Enttäuschung über unsere ersten Erfahrungen in Marokko war groß.

Naja und als wäre das nicht schon genug gewesen, haben junge Marokkaner auf dem Weg zur Autobahn versucht, unsere hinteren Kennzeichen während der Fahrt zu klauen.

Und als wir noch, in Richtung Autobahn durch einen kleinen Ort mussten, standen Kinder an der Straße und haben uns zugewunken. Wir haben das zum ersten Mal gesehen und freundlich zurück gewunken. Dann flogen Steine. Was wir nicht wussten, die Kinder die am Straßenrand standen haben gewunken, weil sie Dirhams oder Süßigkeiten von uns haben wollten.

Später irgendwann erfuhren wir, dass die meisten Touristen mit ihren Wohnmobilen, den winkenden Kindern Dirhams oder Süßigkeiten aus dem Fenster zuwerfen. Das bedeutet, wenn nichts Dergleichen aus dem Fenster kommt, werfen sie eben mit Steinen…
Was passiert hier, besser was ist hier passiert?
Das sind Kinder?
Wieso werfen die mit Steinen und beschädigen Eigentum von fremden Menschen?
Was ist hier passiert und vor allem was ist da falsch gelaufen?

Nachdem wir über eine Stunde gefahren waren, fanden wir endlich eine große Raststätte zum Übernachten. Endlich gab es für uns die langersehnte Tasse Kaffee und Dennis und ich sprachen über das Erlebte. Das also war unsere erste Erfahrung mit einer der größten Städte in Marokko. Wir waren total enttäuscht und gleichzeitig wurde uns klar, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mit Marokko anfreunden konnten.

Mit diesem Wissen gingen wir völlig erschöpft schlafen und hofften, dass der neue Tag und eine neue Stadt positive Erlebnisse mit sich bringen.

2 Antworten zu „RB-TANGER“

  1. Avatar von Colleen Hill
    Colleen Hill

    Wow that was scary!!! Hopefully that is the end of your misadventures.

    1. Avatar von Dennis Vinz

      Hi Colleen,

      thx so much. We hope too.
      But as the saying goes…travelers always have a story to tell…as you know 😉

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